Dienstag, 9. Mai 2017

{Rezension} Das warme Licht des Morgens


Ist einer von euch blind oder kennt jemanden, der blind ist? Dann lest bitte dieses Buch und sagt mir, ob es tatsächlich so ist wie hier geschildert. Mir kam die Darstellung nämlich sehr realistisch vor, aber ich kann es nicht wirklich beurteilen.










Levi hat sein Leben ganz dem Schreiben gewidmet. Doch seit er ein Mädchen aus einem brennenden Haus gerettet hat, ist er blind. Ohne die ständigen Bilder vor Augen fehlt ihm die Inspiration für seine Geschichten. Auch der Alltag erscheint ihm nun nicht mehr zu bewältigen. Seine Tochter kümmert sich um ihn, aber ihr Abitur steht vor der Tür. Eines Morgens lernt er im Café Rea kennen, die dort als Kellnerin angefangen hat. Sie bietet ihm ihre Hilfe an und langsam beginnt Levi sich wieder zu öffnen. Schafft er einen Neuanfang oder wird Reas Geheimnis alles zerstören?







Die Geschichte verläuft sehr gleichmäßig. Levi ist in einer tristen Routine gefangen, weil er sich ohne sein Sehvermögen nichts neues zutraut. Er hat seinen Enthusiasmus verloren, was sich deutlich im Schreibstil widerspiegelt. Gleichzeitig bekommt man aber auch einen Eindruck seines schriftstellerischen Talents, da ein reicher Wortschatz und stets exakt passende Beschreibungen mich immer tiefer in seine Welt gelenkt haben. Ich konnte mich sehr gut in seine Hoffnungslosigkeit hineinversetzen und bin auch mit ihm langsam daraus aufgetaucht. Das Ende fügt sich wunderbar in die Stimmung des Buches ein. Es geht bergauf, aber bis zur Spitze ist es noch ein weiter Weg. Levi wehrt sich lange dagegen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Erst Rea kann ihn mit ihrer zupackenden Art langsam dazu bringen, sich zu bewegen. Es scheint, als würde sie ebenfalls von ihrer Aufgabe profitieren. Man erfährt nur wenig über sie, meistens weicht sie persönlichen Gesprächen aus. Doch das kann nicht ewig gut gehen. 
Das Buch war nicht spannend im herkömmlichen Sinne. Dennoch habe ich es gern zur Hand genommen, auch wenn ich jedes Mal ein bisschen gebraucht habe, wieder ganz in die Geschichte zu finden. Levi hat mich mit seiner störrischen und detailgenauen Art gefesselt. Rea hätte ich selbst gern als Freundin gehabt, vor allem in schweren Zeiten. Die Liebe zu den Figuren und der Wunsch, dass es ihnen wieder besser geht, haben mich weiterlesen lassen. Es ist wie wenn man sich um einen geliebten Menschen sorgt und ständig wissen will, wie es läuft und wie es ihm nun geht.
Zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel, in denen Levis Tochter von einer für sie bedeutsamen Erinnerung erzählt. Darin zeichnet sie ihren Vater als einen lebendigen Mann, dessen Kopf aber voller Geschichten ist, die ihn von der wirklichen Welt entfernen. Man spürt deutlich, dass sie ihn liebt und eine glückliche Kindheit hatte, auch wenn sich hauptsächlich ihre Mutter um sie gekümmert hat. Erst am Ende erschließt sich der Sinn dieser Kapitel, doch schon vorher tragen sie zu einem bunterem Bild von Levis Persönlichkeit bei.








Ein Roman, der eher auf Emotionen als auf Action setzt und damit eine tiefe Verbundenheit mit den Figuren schafft. Sehr authentische Charaktere.

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