Mittwoch, 3. Mai 2017

{Rezension} Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen








Seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes hat Lili kein Interesse an einer neuen Beziehung. Mit ihrem Job als Illustratorin sorgt sie allein für ihre zwei kleinen Mädchen. Für ein Buch über den Anbau von Gemüse soll sie nun ein Gärtnerseminar besuchen. Kurzerhand nimmt sie auch noch ihre Schwester mit, die sie in den letzten Jahren sehr unterstützt hat. Im Botanischen Garten treffen sie auf total unterschiedliche Menschen, die sich schon bald als echte Freunde erweisen. Und dann ist da auch noch der Leiter des Seminars, dessen zupackender und geduldiger Art Lili nur schwer widerstehen kann.







Insgesamt fand ich die Geschichte sehr realistisch und gefühlvoll geschrieben. Dank einer angenehm leichten Sprache ließ es sich gut lesen und ich war schnell in der Handlung drin. Zwischendurch musste ich immer wieder schmunzeln, so unterhaltsam war es.
Obwohl Lilis Mann Dan bereits seit vier Jahren tot ist, kommen im Lauf des Buches viele Emotionen wieder hoch und sie muss die Vergangenheit nochmal ganz neu verarbeiten. Dabei verändert sich auch ihr Blick auf Dan und ihre Kinder. Sie beginnt jetzt auch die Situation der anderen Beteiligten zu sehen und gemeinsam lernen sie, wie sie loslassen können ohne ihn zu verlieren. Dieser Prozess braucht natürlich viel Zeit, die er hier auch bekommen hat. Besonders der innere Kampf von Lili ist sehr treffend dargestellt. Sie kann sich lange nicht wirklich erlauben, Gefühle für einen anderen Mann zu entwickeln. Es gibt keinen Antagonisten, stattdessen steht sie sich selbst im Weg.
Alle Charaktere sind sympathische und authentische Menschen. Ich konnte mich durchweg gut in sie hineinversetzen, am besten natürlich in Lili, die uns die Geschichte erzählt. An manchen Tagen war ich einfach froh, in eine Welt abtauchen zu können, in der die Figuren einander nur Gutes wollen und bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen. Dabei merkt man schnell, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, oft noch bevor die Dinge tatsächlich angesprochen werden. Doch es gibt so viele kleine Glücksmomente, die das Leben zum Leuchten bringen und mir auch immer wieder ein bisschen Glück geschenkt haben. Besonders die Kinder fand ich sehr realistisch dargestellt. Mit ihrer unbefangenen Art sind sie mir sofort ans Herz gewachsen.
Edward, der Seminarleiter, ist ein freundlicher und hilfsbereiter Kerl. Er steht im Gegensatz zu den typischen Bad Boys der Young Adult - Szene. Die Abwechslung fand ich angenehm, weil man sofort gemerkt hat, dass er Interesse an Lili hat, aber auch, dass er sich nie aufdrängen würde. Einen solchen Mann finde ich für eine dauerhafte Beziehung erstrebenswerter als einen oberflächlichen Macho, der zuerst nur meinen Körper mag.
Liebe und Partnerschaft wird hier nüchtern, aber wahnsinnig realitätsnah dargestellt. Wenn Lili auf ihre Beziehung zu Dan blickt, dann erkenne ich mich darin wieder. So habe ich mich den Charakteren gleich viel mehr verbunden gefühlt. Langjährige Liebe ist nicht mehr romantisch verklärt, wie in den Jugendbüchern, die nur einen verträumten Anfang zeichnen. Stattdessen ist da ein tiefes Gefühl von Heimat, dass alle Stürme übersteht. Nachdem Lili diese Erfahrung gemacht hat, kann sie auch abschätzen, wie es mit einem neuen Mann sein kann, und startet ganz anders als ein Teenager.
Letztendlich geht es aber nicht primär um die Liebesgeschichte, sondern darum, wie man es schafft, auch nach schlimmen Schicksalsschlägen weiterzumachen.
Im Gärtnerkurs gibt es ein lesbisches Paar und eines mit sehr hohem Altersunterschied. Beide werden jedoch als völlig selbstverständlich hingenommen, ebenso wie alle anderen Charaktere mit ihren je eigenen Besonderheiten. Alle Vorurteile, die man vielleicht auch als Leser hat, werden so für unnötig erklärt und beiseite geschoben. Allerdings gewinnt man am Ende den Eindruck, dass jeder für das perfekte Glück einen Partner braucht. Obwohl der Fokus auf Lili liegt, bekommt jeder noch eine Liebesgeschichte verpasst, auch wenn sie noch so gestellt wirkt. Ist das wirklich nötig? Ist ein Ende nur dann gut, wenn jeder zumindest die Aussicht auf eine lebenslange Beziehung hat?
Für Lili ist das Ende nicht abgeschlossen. Es wird zwar angedeutet, wo es hingehen soll, aber die letzten Schritte sind noch zu gehen. Das hat mir gut gefallen, weil es zum Gedanken des Aufbruchs und möglichen Neubeginns passt, der sich durch das ganze Buch zieht.
Zwischen den einzelnen Kapiteln finden sich Anleitungen zum Anbau verschiedener Pflanzen im eigenen Garten. Das fand ich persönlich etwas unpassend, weil es nicht direkt mit der Handlung zusammenhing. Natürlich soll es ums Gärtnern gehen, aber die in den Anleitungen beschriebenen Pflanzen und Arbeitsschritte haben in den umliegenden Kapiteln keine Rolle gespielt. Und der Fokus lag ja auch mehr auf der persönlichen Entwicklung der Figuren als auf dem Gemüseanbau als solchem.








Ein humorvoller und sympathischer Roman, der zeigt, dass nach jeder Nacht ein Morgen kommt, wenn man die Kraft findet, die Jalousie hochzuziehen.

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