Freitag, 26. Februar 2016

Gestern Abend

Als ihr Freund nach Hause kommt, sagt er nur: "Zieh dich warm an, ich habe eine Überraschung für dich."
Sie ist verdutzt, folgt aber seinen Anweisungen. Sie mummelt sich so dick wie möglich ein, schließlich liegen draußen noch die letzten Schneereste vom Morgen. Zehn Minuten später brechen sie auf. Mit der Straßenbahn geht es in die Innenstadt. Noch immer weiß sie nicht, was er vorhat. Alles Jammern nützt ihr nichts.
Nachdem sie ausgestiegen sind, läuft er zielstrebig los. Als er das Münster erreicht, tritt er durch die Tür und bleibt dann hinter den Bankreihen stehen. Sie ist ihm brav gefolgt, nun aber wundert sie sich, warum es eine Überraschung sein soll, gemeinsam einen Gottesdienst zu besuchen.
Sie müssen nicht lange warten, da stößt ein gemeinsamer Kumpel zu ihnen. Er schließt eine kleine Tür im hinteren Bereich der Kirche auf und die drei huschen hindurch. Dahinter gelangt man zu einem Fahrstuhl, der zwar alt aussieht, aber durchaus noch fahrtüchtig ist. Damit geht es aufwärts. So langsam dämmert ihr, wo sie ankommen werden.
Als der Fahrstuhl hält, müssen sie noch eine kurze Treppe nach oben, dann sind sie in der Turmstube.  Außer ihnen ist niemand da. Der Raum ist wie ein kleines Museum eingerichtet. Es gehen außerdem zwei weitere Treppen davon ab. Die eine führt zu den Glocken, die andere weiter hinauf. Der Kumpel verabschiedet sich und lässt die Verliebten allein. Hintereinander steigen sie nun auf der äußeren Wendeltreppe nach oben, bis sie eine Aussichtsplattform erreichen. Dort packt er Sekt und Naschereien aus.
"Na, ist das eine gute Überraschung? Ich dachte, wir könnten uns von hier aus den Sonnenuntergang ansehen."
Sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie ihm um den Hals fällt.
"Das ist so toll!"
Sie stoßen an, dann sehen sie eine Weile stumm auf die Stadt, die sich unter ihnen ausbreitet. Wie schön alles aussieht. Ihr Blick fällt auf all die Ecken, die sie bisher nicht erforscht hat. So viele Abenteuer liegen noch vor ihnen.
Irgendwann steigen sie wieder herab, um sich in der Turmstube aufzuwärmen. Sogar das alte Uhrwerk steht hier, und es scheint noch voll funktionstüchtig. Staunend betrachten sie die komplizierte Maschinerie und versuchen ihre Geheimnisse zu ergründen.
Plötzlich beginnen die Glocken zu läuten. Statt zu flüchten, beschließen die beiden, sich das Ganze aus der Nähe anzuschauen. Auf einem Rundgang kommt man ganz nah an die Glocken heran. Der ganze Turm schwingt mit und die Schläge dröhnen in ihren Körpern.
Mittlerweile ist es ganz dunkel geworden. Gemütlich lassen sie den Abend auf der Aussichtsplattform ausklingen, bevor sie wieder nach unten müssen.

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