Dienstag, 28. Mai 2019

{Rezension} Milchzähne








Skalde lebt in einer Welt am Abgrund; das Dorf hat sich von der Außenwelt abgeschottet, denn nirgendwo ist es mehr sicher. Auf Edith kann Skalde sich auch nicht mehr verlassen und so muss sie allein für ihr Überleben sorgen. Dann taucht plötzlich ein Kind auf, das von außen kommt. Wie kann sie es gegen die Wut und Angst der Dorfbewohner verteidigen?







"Milchzähne" ist eine eindringliche Geschichte, die mehr Emotionen weckt, als der karge Schreibstil anfangs vermuten lässt. Es werden kaum Worte auf Dinge verwendet, die nicht elementar sind für die Geschichte. Wie es in den Figuren aussieht, wird nicht näher beleuchtet. Sie sprechen allein durch ihre Handlungen.
Die Welt, in der diese Geschichte spielt, bleibt rätselhaft. Es gibt keine zeitliche oder geographische Einordnung, die helfen könnte, und auch keine Erklärungen für den jetzigen Zustand. Skalde kennt nichts anderes und alles, was wir von anderen Figuren erfahren, bleibt bruchstückhaft. Deshalb fiel es mir schwer, diese Welt für mich selbst einzuordnen. Zu viele Fragen bleiben ungeklärt; wo kommt das Kind her? Was ist am oder im Meer, das die Tiere krank macht? ....
Ich konnte mich mit Skalde nicht richtig anfreunden. Irgendwie sind alle Figuren in sich gekehrt, verschlossen und unzugänglich. Sie erschien mir kalt, obwohl sie doch das Kind aufgenommen hatte. Sie weiß ganz genau, wie sie in dieser feindlichen Welt überleben kann und wie sie mit den Dorfbewohnern umzugehen hat. Doch ihr Verhalten hat nichts einfühlsames, sondern ist rein zweckdienlich.
Edith ist sogar noch unzugänglicher. Da wir sie nur aus Skaldes Sicht kennen lernen, erscheint sie verwirrt und in ihrer unlogischen Welt gefangen. Oft bewegt sie sich tagelang nicht und nimmt nur selten Nahrung zu sich. Warum sie Skalde gegenüber kalt bleibt, obwohl es sich um ihre eigene Tochter handelt, wird nicht erklärt, aber die Verletzung, die es für sie darstellt, ist spürbar.
Das Kind heißt Meisis und fällt durch seine roten Haare auf. Es spricht nicht viel und tut so, als würde es den Anweisungen von Skalde gehorchen. Doch immer wieder handelt es nach seinem eigenen Kopf, dessen Motivation erst spät offenbar wird. Dadurch, dass es nichts von sich und seiner Vergangenheit erzählt, fiel mir auch hier der Zugang schwer und ich konnte es nicht so richtig lieb gewinnen. Das könnte aber auch daran liegen, dass Skalde ebenfalls über eine pragmatische Beziehung nicht hinauskommt.
Interessant ist auch: Irgendwie sind alle wichtigen und guten Figuren in diesem Buch weiblich. Bloß der größte Widersacher und ein paar unbedeutendere neutrale Personen sind männlich.
In meiner Wahrnehmung hatte die Handlung kein richtiges Ziel, es gab keine Aufgabe zu bewältigen und abgesehen von einigen Punkten auch keinen nennenswerten Ausschlag in der Spannungskurve. Stattdessen leben alle vor sich hin und versuchen irgendwie zu überleben. Sie reagieren auf äußere Einflüsse, statt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Träume hat hier schon lange niemand mehr.
Der Titel des Buches erschließt sich erst nach und nach. Die wesentliche Grundlage ist der Unterschied zwischen den Dorfbewohnern und den Menschen von außerhalb, denen die Milchzähne eben nicht ausfallen. Warum das so ist, wird aber nie erklärt und scheint auch keinen zu interessieren.








Ich weiß nicht, ob ich die Geschichte mag, weil sie mich hauptsächlich verwirrt hat. Es werden mehr Fragen aufgeworfen, als geklärt werden, was dazu führt, dass die Welt mir mit jeder Seite rätselhafter und unzugänglicher erschien. Aber durch den täglichen Kampf ums Überleben gegen eine diffuse Bedrohung steigt die Spannung und man wird letztlich doch in diese Welt hineingezogen. Die Figuren blieben mir fremd, doch ihre Lage war sehr eindringlich geschildert.

Dienstag, 21. Mai 2019

{Rezension} Die stumme Patientin









Vor sechs Jahren hat Alicia Berenson ihren Ehemann ermordet. Seitdem schweigt sie beharrlich, auch wenn ihre Aussage vieles erklären könnte. Deshalb sitzt sie in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Theo Faber war von Anfang an von ihrem Fall fasziniert. Nun endlich bietet sich ihm die Gelegenheit, mit ihr zu arbeiten und vielleicht etwas mehr über die Hintergründe zu erfahren. Er setzt alles daran, sie zum Reden zu bringen, doch was verbirgt er selbst?






Das Buch hat wenig Actionanteil, aber dafür eine hohe psychologische Spannung. Ich war gefesselt von der ungewöhnlichen Geschichte der Alicia Berenson. Was treibt eine Frau dazu, ihren Mann derart kaltblütig zu ermorden? Auf der Suche nach den Spuren, die ihre Vergangenheit hinterlassen hat, dringt Theo Faber immer tiefer in ihre Familiengeschichte vor. Dort liegt einiges im Argen, doch reicht das schon aus?
Währenddessen erfährt man, dass auch in Theos Leben nicht alles rund läuft. Er war selbst nach einer traumatischen Kindheit lange in therapeutischer Behandlung. Jetzt findet er heraus, dass seine Frau ihn betrügt. Doch er ist nicht bereit, sie aufzugeben und tut alles, um die Beziehung zu retten. Wie weit er dabei tatsächlich zu gehen bereit ist, wird dem Leser erst spät bewusst.
Mir hat dieses Buch unheimlich viel Spaß gemacht. Es war faszinierend, in die Welt psychischer Dispositionen einzutauchen. Zugleich gilt es, einen ungelösten Mordfall aufzudröseln. Am Ende bleibt die Schuldfrage offen, denn jeder der Beteiligten trägt seine eigene Last und hat nachvollziehbare Gründe für sein Handeln. Wem will man also einen Vorwurf machen?
Alicia ist vollkommen rätselhaft. Nur in ihren Tagebucheinträgen, die zwischen den einzelnen Teilen des Buches stehen, kommt sie dem Leser ein bisschen näher. In der Gegenwart jedoch schweigt sie und auch ihr Gesicht und ihr Verhalten lassen keine Rückschlüsse auf ihre Gedanken zu. Deshalb fand ich es sehr schwierig, mich in sie hineinzuversetzen.
Dagegen war mir Theo schon näher. Auch seine Motive bleiben ungeklärt, aber da aus seiner Sicht erzählt wird, erfahren wir etwas von seinen Gedanken und Gefühlen. Ich fand ihn anfangs sympathisch und ausgesprochen hilfsbereit, doch das hat sich im Laufe der Geschichte geändert. Es wird immer deutlicher, dass er von seiner Vergangenheit bestimmt wird und nicht bereit ist, etwas an sich und seinem "perfekten" Leben zu verändern.
Die vielen Verbindungen zwischen den Figuren wurden erst nach und nach sichtbar und ich war nicht in der Lage, auch nur einen Teil davon vorherzusehen. Der Autor spielt sehr gekonnt mit den Erwartungen der Leser, sodass man immer wieder denkt, jetzt hätte man etwas mehr verstanden, um dann doch wieder überrascht zu werden.
An den passenden Stellen werden auch psychologische Modelle erklärt, die dem Leser helfen, das Vorgehen der Ärzte zu verstehen und auch ein tieferes Verständnis für die Entwicklung der Figuren fördern. Manchmal fand ich diese Exkurse ein bisschen lang, aber letztlich haben sie geholfen, etwas von der scheinbaren Sinnlosigkeit der Ereignisse zu begreifen. Man merkt auch, dass der Autor genau weiß, wovon er schreibt.








Ein spannendes Buch über Wahrheit und die Macht der eigenen Vergangenheit. Unbedingte Leseempfehlung für alle Fans von Psychothrillern und psychologischen Hintergründen.

Montag, 13. Mai 2019

{Rezension} Zeilen ans Meer








Nach dem Abi hat Lena ein Jahr in Autralien verbracht. Zum Abschied hinterlässt sie eine Flaschenpost mit einer Liebeserklärung an das einzigartige Land. Mehr als 15 Jahre später trudelt im fernen München ein Brief von Sam ein, der ihre Flaschenpost gefunden hat, und eine zarte Freundschaft beginnt. Doch schon bald müssen sich die beiden eingestehen, dass sie viel mehr füreinander fühlen. Und das, obwohl sie sich noch nie gesehen haben. Hat ihre Liebe über alle Kontinente hinweg eine Chance?







Das Buch besteht ausschließlich aus den Briefen, die die beiden sich schreiben. Aus ihrem Leben erfahren wir nach und nach das, was sie auch einander berichten, sodass manche Fragen lange offen bleiben. Dafür kann man sich zwischen den wundervollen und oft sorgfältig gewählten Worten verlieren und irgendwo zwischen München und Sydney schweben. Ein bisschen habe ich dabei mein Herz auch an das Meer verloren.
Sam ist genau der Mann, den ich mir auch aussuchen würde. Er steht fest im Leben, ist aber nicht übermäßig von sich überzeugt. Er ist loyal, fürsorglich und kann seine Gefühle in wunderschöne Worte fassen. Allerdings hat er auch schon einen schweren Schicksalsschlag erlebt, mit dem er fertig werden muss.
Lena hat in Australien Träume und Zuversicht gefunden, doch das Leben hat sie diese fast vergessen lassen. Mittlerweile ist sie alleinerziehend und ihre Tochter steht an erster Stelle. Doch Sam zeigt ihr, wie Glück aussehen kann, wenn sie sich traut, auch mal auf ihr Herz zu hören. Was ist sie bereit, in ihrem Leben zu verändern? Können verborgene Träume irgendwann doch Wirklichkeit werden?
Immer wieder geht es auch darum, was die neue Beziehung für ihre Tochter bedeutet. Dabei zeigt sich, dass für diese das strahlende Glück ihrer Mutter einen großen Unterschied macht. Sie ist teilweise viel mutiger als Lena und sehr schnell bereit, sich auf Sam einzulassen. Doch die räumliche Trennung von ihrem Vater kommt natürlich auf Dauer nicht in Frage. Ein weiterer Konflikt, den es zu lösen gilt.
Die Geschichte zeigt, dass die Liebe es immer wert ist, zu kämpfen. Selbst wenn man Rückschläge erlebt und Hindernisse im Weg stehen, kann man mit Mut und Geduld doch einen Weg finden. Sie zeigt aber auch, dass beide Parteien diesen Weg gehen wollen müssen.
In diesem Buch hat mir überraschenderweise gar nichts gefehlt. Ja, irgendwann werden die Lücken zwischen dem, was wir erfahren, und dem, was die beiden erleben, größer, aber sie hören niemals auf, sich Briefe zu schreiben. Die Fantasie ist bis dahin so beflügelt und man kennt die Charaktere so gut, dass man diese Lücken problemlos mit den wildesten Träumen füllen kann. Und irgendwie ist es ja auch schön, wenn jeder Leser seine eigene Version der Geschichte finden kann.








Eine der berührendsten Liebesgeschichten der letzten Jahre. Ich habe mich mit Lena verliebt und mit ihr gelitten, das Meer gerochen und die Musik gefühlt. Ein absolut perfektes Buch.

Dienstag, 7. Mai 2019

{Leseliste} Mai 2019

Ich bin mal wieder spät dran, aber zur Zeit geht es bei mir drunter und drüber. Manchmal bin ich einfach froh, wenn der Tag endlich rum ist und ich ins Bett fallen kann. Trotzdem möchte ich wenigstens ein bisschen was lesen, immerhin hat es im letzten Monat sehr gut funktioniert, als ich einfach mal in den freien Minuten den Computer aus gelassen habe.
Hier nun die Bücher, die ich mir vorgenommen habe:

Alex Michaelides - Die stumme Patientin
Steffi Hochfellner - Komme, was Wolle
Helene Bukowski - Milchzähne
Jordis Lank - Rauklands Sohn
Martha Brockenbrough - Das Spiel von Liebe und Tod

Wie sieht es bei euch aktuell mit dem Lesen aus? Findet ihr ausreichend Zeit oder ist es auch eher schwierig?

Mittwoch, 1. Mai 2019

{Gelesen} April 2019

Diesmal habe ich meine eigenen Erwartungen übertroffen und ganze 11 Bücher gelesen! So viele waren es zuletzt im Juli 2018. Das liegt aber auch daran, dass ich über die Kar- und Ostertage kaum was zu tun hatte, sondern bei meiner Familie entspannen konnte.

Hier nochmal zum Vergleich, wie "wenig" ich mir vorgenommen hatte:
Marc-Uwe Kling - Qualityland
Cecelia Ahern - Hundert Namen
Patrick Rothfuss - Die Furcht des Weisen 2
Markus Heitz - Die dunklen Lande
Fitzek/Tsokos - Abgeschnitten

Und das hier ist das tatsächliche Ergebnis:
Patrick Rothfuss - Die Furcht des Weisen 2
Marc-Uwe Kling - Qualityland
Hans Rath - Halb so wild
Fitzek/Tsokos - Abgeschnitten
Agatha Christi - Alibi
Ferdinand von Schirach - Schuld
Cecelia Ahern - Hundert Namen
Lewis Carroll - Alice im Wunderland
Sarah Fischer - Zeilen ans Meer
Maya Banks - Breathless - Band 1&2

Ich habe mich schon an meine Leseliste gehalten, nur Markus Heitz ist nicht drangekommen. Das liegt aber auch daran, dass ich ungern viele Printbücher mitnehme, wenn ich unterwegs bin, sondern dann eher E-Books lese.

Auch meinen Top und Flop des Monats möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Sarah Fischer - Zeilen ans Meer
Dieser Briefroman war herzerwärmend schön, ohne kitschig zu sein. Es wurden so viele Emotionen transportiert, das ich gar nicht anders konnte, als mich ebenfalls zu verlieben.

Lewis Carroll - Alice im Wunderland
Ja, es ist ein verrücktes Kinderbuch, aber mir war es dann doch etwas zu chaotisch. Vielleicht einfach nicht meine Welt.