Dienstag, 7. März 2017
{Rezension} Dear Amy
Als die 15-jährige Kathie verschwindet, geht die Polizei zuerst davon aus, der Teenager sei von zu Hause abgehauen. Schon bald verschwindet der Fall aus dem öffentlichen Interesse. Die Lehrerin Margot Lewis schreibt die Ratgeberkolumne "Dear Amy". Als sie Briefe von Bethan Avery erhält, einem Mädchen, das vor fast 20 Jahren verschwand, stellt sie sofort einen Zusammenhang zu Kathie her. Sie versucht auf eigene Faust nachzuforschen. Dabei wird auf einmal alles in Frage gestellt, was sie sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Gibt es womöglich eine direkte Verbindung zwischen Bethan Avery, dem Entführer und ihr?
Ich würde wetten, dass die Autorin schon etwas von Sebastian Fitzek gelesen hat. Je weiter sich die Geschichte aufgedröselt hat, desto mehr konnte ich Ähnlichkeiten im Aufbau der Figurenkonstellationen feststellen. Wenn ihr es lest, werdet ihr verstehen, was ich meine. Da ich Fitzek absolut großartig finde, ist es natürlich super, wenn ein Thriller da mithalten kann.
Das Buch fängt sofort spannend an und blieb dann auf einem relativ konstanten Level. Durch immer neue unerwartete Wendungen macht es großen Spaß, selbst mitzuraten, auch wenn man sich oft ganz neu orientieren muss. Mehrmals war ich regelrecht geschockt von den ungeahnten Entwicklungen in der Aufklärung der Fälle. Dabei treten auch zahlreiche Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zutage.
Wir begleiten beim Lesen mehrere starke Charaktere. Da ist als erstes natürlich Margot. Sie versucht ihr Leben allein zu stemmen und ist dabei auch oft erfolgreich. Man merkt aber auch, dass sie schon einiges mitgemacht hat und nicht so stabil ist, wie sie versucht ihrem Umfeld zu vermitteln. Nach und nach wird ihre Vergangenheit aufgedröselt, aber es wird nie zu viel verraten. Sie tritt allerdings auch sehr kämpferisch auf, was mir wiederum geholfen hat, mich in sie hineinzuversetzen. Es war wirklich spannend, ihr zu folgen, aber ich fand es manchmal schwierig, ihre Handlungen logisch nachzuvollziehen. Bethans Hilferufe nehmen sie mehr mit, als man annehmen würde. Auch von Kathies Verschwinden fühlt sie sich fast persönlich betroffen.
Die zweite wichtige Figur ist Kathie. Da man als Leser dabei ist, als sie verschwindet, ist von Anfang an klar, dass sie nicht freiwillig untergetaucht ist. Doch wir begleiten sie auch während ihrer Gefangenschaft. Es war erschreckend, aber für mich als Thrillerfan auch wahnsinnig spannend, direkt mitzuerleben, was sie durchmacht. Natürlich verändert sie sich währenddessen und ist am Ende nicht mehr der Teenager, der sie zu Beginn war.
Dann gibt es da noch Martin Forrester, dessen Team sich unter anderem mit Bethans Fall beschäftigt hat. Der lässt auch die Briefe untersuchen und kommt zu dem Ergebnis, dass sie tatsächlich von Bethan Avery geschrieben sein müssen. Er hilft Margot dabei, eigene Nachforschungen anzustellen. Doch er scheint auch etwas zu verbergen. Die Interaktion zwischen ihm und Margot ist besonders interessant. Lest es, ich will nicht spoilern.
Zuletzt dürfen wir auch einen Blick in die Gedankenwelt des Täters werfen. Wie schon bei "Insomnia" von Jilliane Hoffmann war ich davon am meisten fasziniert. Wie tickt so ein Psychopath? Was geht in einem Menschen vor sich, der absichtlich junge Mädchen entführt und bei sich festhält? Es ist eine gruselige Vorstellungen, dass so jemand tatsächlich existieren könnte, vielleicht sogar im eigenen Wohnort.
Wie bei einem Puzzle bildeten sich hier aus vielen kleinen Teilen erst größere Bilder und dann ein Ganzes. Mit jedem neuen aufgedeckten Stück setzte mein Kopf sofort einen möglichen Lösungsentwurf zusammen, der dann immer wieder verändert wurde. Im Nachhinein betrachtet ziehen sich die Hinweise für des Rätsels Lösung durch die ganze Geschichte, doch sie sind so mehrdeutig, dass man sie nicht sofort erkennen kann. Letztlich hat mich die Auflösung dann doch überrascht und mir gleichzeitig die Abgründe und das Faszinosum der menschlichen Psyche gezeigt.
Ein Thriller, der mich in Atem gehalten hat. Kurzweilig und voller überraschender Entdeckungen vertreibt er spielend die Langeweile.
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