Als die beiden dann älter waren, beging Jakob einen folgenschweren Fehler. Er war der Liebling seiner Mutter und obwohl er der Jüngere war, überredete sie ihn, sich den Erstgeburtssegen von seinem Vater zu holen. Als sein Bruder einmal von der Jagd zurückkam, hatte Jakob ein Linsengericht vorbereitet. Bevor er Esau jedoch davon gab, musste dieser ihm den Erstgeburtssegen überlassen. Später dann, als Esau mal wieder weg war, band sich Jakob Fell um die Arme und Hände (Esau war sehr behaart) und ging zu seinem Vater, der schon alt war und nicht mehr so gut sehen konnte. Auf dessen Frage antwortete er, dass er Esau sei. Daraufhin bekam er den Erstgeburtssegen. Als Esau ebenfalls zu seinem Vater ging, war es bereits zu spät. Natürlich wurde er fürchterlich wütend auf seinen Bruder. Jakob floh also zu seinem Onkel.
Unterwegs hatte er einen Traum. Darin begegnete ihm Gott und versprach ihm, ihn zu beschützen und ihm eine große Familie zu schenken.
Jakob verliebte sich schon bald in die jüngere Tochter seines Onkels, Lea. Die beiden machten aus, dass Jakob sieben Jahre arbeiten würde und sie anschließend zur Frau bekäme. Doch sein Onkel betrog ihn und unter dem Brautschleier befand sich die ältere Schwester Rachel. Nun musste Jakob nochmal sieben Jahre arbeiten, um wirklich Lea heiraten zu können. Als Jakob dann mit seinen Frauen und etlichen Kindern wieder Richtung Heimat ziehen wollte, verfolgte sein Onkel ihn. Der Segen, den Jakob damals von seinem Vater erhalten hat, sorgte nämlich bei allen in seiner Umgebung für Wohlstand und Glück. Schließlich können die beiden einen Frieden aushandeln.
Jetzt nähert sich die Geschichte ihrem Höhepunkt. Esau hat nämlich nicht vergessen, was Jakob ihm angetan hat und zieht ihm nun mit vierhundert Mann entgegen. In der Nacht vor der alles entscheidenden Begegnung hat Jakob ein seltsames Erlebnis. Er ist dabei, den günstigsten Weg durch den Fluss zu suchen oder will vielleicht schon einmal seine Familie in Sicherheit bringen, als er angegriffen wird. Aus dem Hinterhalt kämpft plötzlich ein Mann mit ihm, den er nicht erkennen kann. Dabei erringt Jakob den Segen Gottes, der ihm die ganze Zeit verheißen war, aber noch nicht gegeben. Als er am nächsten Morgen seinen Bruder Esau trifft, können sich die beiden endlich versöhnen.
Warum habe ich euch das Ganze erzählt?
Ich musste in den Semesterferien eine Hausarbeit schreiben, die sich mit dem letzten geschilderten Kampf beschäftigt hat. Dafür habe ich mir die ganze Geschichte mal wieder genauer angesehen und einige spannende Details entdeckt.
1. Zur Geburt der Zwillinge gibt es eine Verheißung, dass der Ältere dem Jüngeren dienen wird. Dies will Jakob zuerst mit aller Macht selbst erreichen und verursacht aber immer mehr Chaos. Erst als er ganz auf Gott vertraut, bessert sich die Lage.
2. Die erste Gottesbegegnung hat Jakob in Bet-El. Dieses Heiligtum hatte für Israel eine große Bedeutung vor dem Tempelbau und sollte zu der Zeit, als die Geschichte aufgeschrieben wurde, wohl wiederbelebt werden. Jakob kehrt auch später nochmal dahin zurück und begegnet Gott erneut.
3. Jakob wird traditionell mit dem Volk Israel identifiziert, Esau mit deren Nachbarn, den Edomitern. Die kommen dabei zwar deutlich schlechter weg, aber es wird auch gezeigt, dass nur ein friedliches Zusammenleben auf Dauer gelingen kann.
4. Es gibt keine genaue Angabe dazu, mit wem Jakob am Fluss ringt. Meist wird der Angreifer direkt als Gott verstanden. Dann könnte der Kampf dazu gedacht sein, Jakob seine Abhängigkeit vor Augen zu führen und ihn in der Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit davon zu befreien.
5. Viel interessanter finde ich die Theorie, dass es sich hierbei um Esau handelt. Das würde bedeuten, dass die Brüder ihren Konflikt bereits hier austragen und beilegen. Dann ist auch eher verständlich, warum Esau bei dem anschließenden Wiedersehen nicht mehr sauer ist.
6. In jedem Fall hat Jakob hier eine Gottesbegegnung gemacht, die auch uns entscheidendes über Gott lehren kann. Wenn wir genau hinsehen, können wir ihn auch im Angesicht unserer Feinde entdecken, sowie in jedem Menschen. Wenn wir Versöhnung wagen und unsere Vergangenheit annehmen, erfahren wir Segen.
Wie immer gilt, dass ich hiermit niemanden bekehren möchte. Wenn es euch zum Nachdenken bringt, ist das gut. Wenn ihr sagt: "Hab ich doch immer gewusst; ein Haufen Mist, den sich bloß jemand ausgedacht hat", dann ist das auch gut. Ich wollte bloß zeigen, was man entdecken kann, wenn man sich einmal genauer mit den Geschichten der Bibel beschäftigt und danach fragt, wer sie warum geschrieben hat.
Ich habe die Geschichte jetzt nicht noch mal nachgelesen, bevor ich hier kommentiere; also ist manche Frage eventuell blöd.
AntwortenLöschen1. "Bei der Geburt hielt der eine den anderen an der Ferse fest, um selbst Erstgeborener zu werden." -- Wie hat er sich das denn vorgestellt? Klingt für mich jedenfalls nach einer anatomischen Unmöglichkeit.
2. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat Esau Jakob den Segen freiwillig im Gegenzug für eine Mahlzeit überlassen. Welches Recht hat er dann dazu, auf Jakob sauer zu sein? Oder anders: Wer ist hier eigentlich der Böse in der Geschichte?
Bitte entschuldige, dass ich mir mit meiner Antwort so lange Zeit gelassen habe, aber in meinem persönlichen Umfeld sind Dinge passiert, die mich eine ganze Weile am Bloggen gehindert haben.
Löschen1. Hierbei geht es nicht darum, ob und wie Jakob das wirklich getan hat. Davon mal abgesehen, dass es schwer ist zu zeigen, dass solche Ereignisse tatsächlich passiert sind, soll die Erzählung einfach zeigen, dass Jakob schon immer danach strebte, über seinem Bruder zu stehen. Es gibt auch eine Verheißung, dass der erste dem zweiten dienen wird. Das habe ich aber aus Gründen des Umfangs nicht ausgeführt.
2. Guter Einwand. Hierzu müsste ich mich nochmal genauer informieren, aber Fakt ist, dass beide Brüder Fehler machen. Klar wird Jakob als Stammvater Israels oft deutlich besser bewertet, aber schlussendlich soll vor allem das friedliche Miteinander beider Völker als Schlusspunkt stehen.
Ich hoffe, du kannst mit meinen Antworten was anfangen. Ansonsten wende dich doch an jemanden, der sich damit noch besser auskennt. Vielleicht gibt es zur Interpretation der Geschichte auch ganz andere Meinungen als meine.