Ich habe euch ja schon ausführlich den Thriller "Cold Reset" vorgestellt und dabei angedeutet, dass dieses Buch nicht wie alle anderen in den kreativen Untiefen eines Autors entstanden ist. Auf der Leipziger Buchmesse durfte ich ein Bloggertreffen mit Markus Stromiedel besuchen. Er ist verantwortlich für die ganze Geschichte und hat uns einiges über den Entstehungsprozess verraten.
Markus Stromiedel arbeitet hauptsächlich als Drehbuchautor. Bei großen Serien muss oft jeden Tag eine neue Folge geschrieben werden. Das kann einer alleine gar nicht schaffen. Dafür gibt es dann einen sogenannten writers room. Ein Team aus Autoren überlegt sich gemeinsam die Handlung. Anschließend schreibt jeder eine oder mehrere Episoden und ein Headautor achtet darauf, dass alles zusammenpasst. Neun Wochen dauert es im Schnitt von der Idee zum fertigen Drehbuch.
Dieses Prinzip wollte Stromiedel nun auf einen Roman übertragen. Schließlich kann es nicht sein, dass der Schreibprozess so lange dauert, dass aktuelle Themen schon fast wieder verjährt sind. Lübbe ging auf den Vorschlag ein und stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung. Stromiedel hatte bereits vier Kollegen im Sinn, von denen er dachte, dass sie gut zu seinem Projekt passen würden. Alle sagten zu. Wichtig bei deren Auswahl war vor allem, dass sie kommunikativ waren (schließlich ging es um Teamarbeit), nicht eitel (Ideen konnten ständig verworfen werden) und bereit, jeden Tag diszipliniert zu arbeiten. Überraschenderweise kam es nur in der ersten Woche zu Reibungen untereinander, die schnell geklärt werden konnten.
Mit diesen Voraussetzungen konnte es losgehen. Der Ausgang war völlig offen. Von der Handlung stand nur fest, dass jemand in einem Auto aufwacht, das gerade im Wasser versinkt. Er kann sich an nichts erinnern, aber sein Handy sagt ihm, dass er laufen soll. Alles weitere wurde in den ersten zwei Wochen gemeinsam überlegt und geplottet. Die einzelnen Charaktere entstanden und es wurde gründlich Recherche betrieben, damit man glaubwürdig bleibt.
Danach kehrte Ruhe ein im writers room. Die Diskussionen waren vorbei, es ging ans Schreiben. Jeder musste zwei Kapitel pro Tag fertig bekommen, um die Deadline einzuhalten, immerhin war der Plot auf 100 Kapitel angelegt. Stromiedel als Headautor hatte die Aufgabe, alles zu lesen und darauf zu überprüfen, ob es in den gewünschten Roman passte. Schwierig war hier vor allem, den vorher besprochenen Schreibstil einzuhalten, sowie die Orientierung innerhalb der Handlung, da jeder Autor an einer anderen Stelle zu schreiben begonnen hatte. Die Menge an Text führte schlussendlich dazu, dass er in Verzug geriet.
Nach fünf Wochen waren alle Kapitel geschrieben und die Autoren verabschiedeten sich wieder in ihr eigenes Leben. Stromiedel blieb, um die Überarbeitung fertig zu stellen und einzelne Passagen zu korrigieren oder zu ergänzen.
Das Lektorat konnte ebenfalls schneller durchgeführt werden als üblich, sodass es ungefähr ein Vierteljahr brauchte, bis das Buch zur Erscheinung bereit war. Mit einem engagierten Team ist es also durchaus möglich, einen Roman zu aktuellen Ereignissen auch zeitnah zu veröffentlichen.
Das Buch zeichnet sich durch einen rasanten und fesselnden Schreibstil statt. Auf ausführliche Beschreibungen wurde verzichtet, lediglich die wichtigen Details sind genannt. Der Rest bildet sich automatisch im Kopf des Lesers. Wie ein Film zieht die Handlung vorbei und viel zu schnell ist man auf der letzten Seite angelangt. Wegen seiner kurzen Kapitel ist der Thriller auch gut für unterwegs geeignet, obwohl ich bald so gepackt war, dass ich ihn nach der Viertelstunde Bahnfahrt nicht mehr aus der Hand legen wollte.
Die Themen sind aktuell und regen zum Nachdenken an. Es geht nicht nur darum, actionreich unbekannten Verfolgern zu entkommen, sondern auch um die Frage, was die Wissenschaft darf. Wie weit darf man für den Fortschritt gehen und was passiert, wenn neue Technologien in den falschen Händen landen? Große moralische Fragen werden hier aufgeworfen, aber die Antworten bleiben individuell. Wer hier am Ende der Böse ist, muss sich erst noch zeigen.
Einen ausführlichen Bericht zu den Erfahrungen im writers room gibt es auch direkt von Markus Stromiedel.
Eine spannende Sache! Was mich jetzt noch interessieren würde: Denkst du, sowas ist künftig öfter möglich? Es war ja jetzt doch eher eine Art Test/Experiment...
AntwortenLöschenSoweit ich da Einblick bekommen habe, hat das Experiment gut funktioniert und die Teilnehmer selbst können sich eine Wiederholung durchaus vorstellen. Das Buch lässt auch Spielraum für eine Fortsetzung. Natürlich kann man aber mit dem passenden Team auch jeden anderen Roman auf diese Weise schreiben. Ob und wann die Sache wiederholt wird, kann ich dir allerdings nicht sagen.
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