Montag, 17. Dezember 2018

{Rezension} Im Traum höre ich dich spielen

Diese Rezension wollte ich eigentlich schon am Wochenende schreiben, aber dann musste ich erst einmal mit meinem Laptop kämpfen. Nun sollte aber wieder alles laufen, schließlich habe ich noch einige Beiträge für euch.









Karina und Richard lernten sich am Konservatorium kennen und lieben. Um Richards Karriere zu unterstützen, gibt Karina ihre auf, doch sie kann ihm nie verzeihen. Mittlerweile sind sie geschieden und ihre gemeinsame Tochter ist erwachsen. Als Richard jedoch an ALS erkrankt, nimmt Karina ihn wieder bei sich auf und pflegt ihn rund um die Uhr. Können sie ihre alten Verletzungen überwinden?







Von Anfang an habe ich sehr stark mit Karina mitgefühlt. Diese talentierte Frau, die um eine vielversprechende Karriere als Jazzpianistin betrogen wurde und nun in der Provinz als Klavierlehrerin festhängt, hat direkt mein Mitgefühl geweckt. Deshalb war ich auch Richard gegenüber voreingenommen, doch je länger ich auch ihn begleitet habe, desto besser konnte ich mich in seine Lage einfühlen. Auch er hat es nicht leicht gehabt, musste den Traum von einer großen Familie aufgeben und verlor die Nähe zu seiner Frau.
Die Kapitel sind abwechselnd auf Karina und Richard ausgerichtet, sodass man beide Perspektiven kennen lernt. Der Wechsel fiel mir leicht, weil der Erzähler einheitlich ist.
Im Laufe der Geschichte verändert sich das Verhältnis zwischen den beiden, sodass es immer schwerer wird, einem von ihnen die Schuld an der Vergangenheit zu geben. Anfangs kämpft Karina noch mit ihrer Wut auf Richard, der sie zu einem Leben fernab jeder möglichen Karriere verdammt und anschließend auch noch betrogen hat. Doch sie muss einsehen, dass sie ebenfalls Fehler gemacht hat und damit ihren Teil zur Trennung beigetragen. Diese Beziehung ist eine von vielen, die am Leben gescheitert ist. Doch die gegenseitigen Verletzungen bleiben auch nach der Trennung. Beide müssen lernen, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen, damit sie wirklich einen Neuanfang machen können.
Das ganze Buch ist sehr ruhig geschrieben. Es gibt keine großartige Spannung oder irgendwelche Dramen. Stattdessen verfolgt man als Leser das unerbittliche Fortschreiten der Krankheit. Dabei müssen immer wieder schwierige Entscheidungen gefällt werden. Interessant wird das Ganze vor allem durch den inneren Kampf der Figuren mit ihrer Vergangenheit, mit dem, was hätte sein können.
Ich kenne mich mit ALS nur wenig aus, das meiste Wissen habe ich aus dem Film "Die Endlichkeit des Universums" über das Leben von Stephen Hawking. Dennoch kam es mir gut recherchiert vor, wie die Krankheit dargestellt wird. Vor allem der Umgang mit dem eigenen, hilfsbedürftigen Körper und der Aufwand, der hinter der Pflege steht, haben mich sehr beeindruckt.
Mir hat ebenfalls gefallen, dass die Geschichte nicht in ein kitschiges Happy End abdriftet, sondern bei der traurigen Realität bleibt. Über etliche Monate hinweg begleitet Karina Richard durch die ALS, doch von Anfang an ist beiden klar, dass keine Chance auf eine Wiederaufnahme der früheren Beziehung besteht. Stattdessen müssen sie lernen, mit ihrer Wut und ihren Enttäuschungen jeden Tag umzugehen. Richard ist bald vollständig auf Hilfe von außen angewiesen - Hilfe von einer Frau, die er eigentlich nie wiedersehen wollte. Karina dagegen widmet nun zum zweiten Mal ihr ganzes Leben einem Mann, mit dem sie keine Zukunft sieht. Dabei wäre es endlich an der Zeit, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu schauen und einen neuen Weg einzuschlagen.








Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es hebt sich deutlich von anderen Romanen ab, da es sich hauptsächlich auf die innere Entwicklung der Figuren konzentriert und realitätsnah arbeitet.

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